Internationaler Frauentag

Vorschaubild

08.03.2010 Was 1911 mit dem Kampf ums Wahlrecht begann, ist auch 98 Jahre nach Entstehung des Tages noch immer nicht hinfällig.

Kurs halten für die Gleichstellung

Am achten März ist Internationaler Frauentag. Was 1911 mit dem Kampf ums Wahlrecht begann, ist auch 98 Jahre nach Entstehung des Tages noch immer nicht hinfällig. Frauen sind vor allem im Berufsleben nach wie vor in vielerlei Hinsicht benachteiligt, wie Helga Schwitzer, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, konstatiert: "Von Gleichstellung kann auch heute keine Rede sein."

Risiken gerade in der Krise

Einer der auffälligsten Belege für diese Einschätzung ist die trotz aller anderslautenden Lippenbekenntnisse unverändert etablierte Lohnungleichheit, ein anderer die Minderheit von Frauen in hochqualifizierten Positionen. Gerade in der der Wirtschaftskrise sind Frauen vor allem Frauen Gefahr, an den Rand des Arbeitsmarktes gedrängt zu werden - an den Schwierigkeiten der großen Mehrheit unter ihnen ändert es auch nichts, dass einzelne Ausnahmen sich Spitzenpositionen vor allem in der Politik erarbeitet haben.

Verstaubte Rollenbilder

Als geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall weiß Schwitzer, wovon sie spricht: "Eine aktive Gleichstellungspolitik ist in unserer Gesellschaft immer noch bitter nötig. Ob es um Entgelte, die Verteilung der Familienarbeit oder Kinderbetreuung, Aufstiegschancen oder Weiterbildung geht, Frauen werden noch immer benachteiligt. Und auch in der Politik herrschen noch immer die verstaubten Rollenbilder vor." Vor allem diese verstaubten Rollenbilder haben vielfach Konsequenzen, sei es die sogenannte "Herd-Prämie", die Struktur des Ehegattensplittings im Steuersystem oder die der sozialen Sicherungssysteme.
Auch in den Betrieben fehlen die erforderlichen politischen Weichenstellungen, um einen Wandel in den Köpfen hervorzurufen: "Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gleicht bei vielen Frauen einem Tanz auf dem Drahtseil und von einer eigenständigen Existenzsicherung sind viele noch Meilen entfernt." Ein Blick auf die Statistik untermauert diese Kritik, denn trotz der steigenden Zahl von erwerbstätigen Frauen bleibt das auf sie entfallende Arbeitsvolumen im Großen und Ganzen seit Jahrzehnten unverändert, so Schwitzer: "Immer mehr Frauen teilen sich den gleichen Kuchen."

Mini-Jobs und Leiharbeit

Ähnliche Ergebnisse liefern praktisch alle anderen Zahlen aus der Wirtschaft, die sich auf die Gleichstellung beziehen. Nur drei Prozent der Vorstandspositionen in Deutschland sind von Frauen besetzt, das Lohngefälle gegenüber Männern liegt mit 23 Prozent bei fast einem Viertel. Letztere Ungleichheit wird übrigens durch Tarifbindung eingedämmt, sonst sähe es wohl noch schlimmer aus. dennoch: Fast jede zweite Frau arbeitet mangels geeigneter Strukturen etwa für die Kinderbetreuung nur in Teilzeit, jede dritte gilt mit einem Ein-Euro-oder Mini-Job beziehungsweise als Leiharbeiterin im Niedriglohnsektor als Geringverdienerin.

Mehr staatliche Einflussnahme

Zum Gegensteuern setzen die Gewerkschaften auf aktiv die Gleichstellung unterstützende Tarifpolitik. Politisch sollte die Krise als Chance zum Richtungswechsel begriffen werden, denkt Schwitzer: Der Staat muss wieder eine stärker steuernde und sozial ausgleichende Rolle einnehmen. Die Wirtschaftsordnung muss nach humanen Kriterien umgestaltet werden: Sozial, ökologisch nachhaltig und geschlechtergerecht. [...] Öffentliche Investitionen an Sozialstandards zu binden, heißt dann auch, sie an Frauenförderung und Gleichstellungsstandards zu knüpfen."

Ungleichheit: "Auch in Deutschland. Auch im 21. Jahrhundert."

Ausdrücklich warnt Schwitzer davor, sich vom Verschwinden der Ungleichbehandlung in den "Untergrund" täuschen zu lassen. Die verbreitete oberflächliche Akzeptanz der Gleichstellung nämlich ändert nichts an den Fakten: "Zahlreiche statistische Untersuchungen und Erhebungen, vom Statistischen Bundesamt, der OECD, der EU, oder der Weltbank belegen stets aufs Neue: von gänzlicher Gleichstellung kann keine Rede sein. Auch in Deutschland. Auch im 21. Jahrhundert."

Letzte Änderung: 23.05.2013