Kramer tritt von Tarifergebnis zurück

IG Metall: Tarif

03.02.2023 Wacker-Neuson-Chef tritt von Tarifergebnis zurück - Striegler: "Tarifpartnerschaft braucht zuverlässige Akteure" - Beschäftigte sind empört - IG Metall berät über Urabstimmung

In der Auseinandersetzung um die Rückkehr zur Tarifbindung beim Baumaschinenhersteller Wacker Neuson sorgt CEO Dr. Karl Tragl für einen Eklat.
Nur wenige Tage nach dem Abschluss eines Verhandlungsergebnisses in der Tarifauseinandersetzung, den er selbst mitunterschrieben hat, ist der CEO von diesem Tarifvertrag wieder zurückgetreten.

Am Montag zitierte der "SÜDKURIER" Dr. Tragl: "Mit dieser neuen zukunftsfähigen Tarifvereinbarung für alle Standorte unterstreichen die Wacker Neuson Group und die IG Metall gleichermaßen, wie wichtig es ist, den Mitarbeitenden mehr Flexibilität zu ermöglichen und sie frei entscheiden zu lassen - für mehr Freizeit oder ein höheres Entgelt. Gleichzeitig steht für uns stets im Vordergrund, alle Standorte nachhaltig zu sichern - auch in konjunkturell schwierigen Zeiten und unter steigendem Wettbewerbsdruck", so Dr. Karl Tragl, Vorstandsvorsitzender der Wacker Neuson Group.

Frederic Striegler, 2. Bevollmächtigter der IG Metall Singen sagt: "Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Tarifpartnerschaft braucht zuverlässige Akteure auf beiden Seiten. So kann man seine Belegschaft nicht an der Nase herumführen." Die Beschäftigten in Pfullendorf und ihre KollegInnen an den anderen Standorten waren bereits detailliert über den Tarifabschluss informiert worden - auch vom Unternehmen.

Nach der Tarifflucht von Wacker Neuson im Herbst 2022 hatte die IG Metall das Unternehmen zu Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag aufgefordert. Nach mehreren Verhandlungen und auch Warnstreiks im Rahmen der Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie haben sich die IG Metall und das Unternehmen Ende Januar schließlich auf einen neuen Anerkennungstarifvertrag geeinigt.

Helene Sommer, 1. Bevollmächtigte der IG Metall in der Region, sagt: "Dieser Tarifvertrag ist ein Kompromiss, ein Ausdruck der Vernunft, mit dem beide Seiten einen Arbeitskampf mit Streiks abgewendet haben. Grundsätzlich gilt demnach der Flächentarif, beim Thema Arbeitszeit sind wir dem Unternehmen entgegengekommen. Die Beschäftigten sind empört und fassungslos, dass der CEO jetzt einen Rückzieher macht. Er hat den Vertrag gelesen, war über jeden Stand der Verhandlungen auf dem laufenden - scheinbar hatte der CEO des Konzerns nicht das Wissen und Können das Ergebnis abschließend zu beurteilen"

Die IG Metall berät nun, ob sie die Beschäftigten zu Urabstimmungen über Streiks aufruft, um einen Tarifvertrag zu erzwingen.
Neben Pfullendorf hat Wacker Neuson Produktionsstandorte in Reichertshofen (Bayern) und Korbach (Hessen). Die Konzernzentrale ist in München.

Zum Hintergrund: 2009 hatte die IG Metall in wirtschaftlich schwieriger Lage mit Wacker Neuson Ergänzungstarifverträge abgeschlossen, mit denen die Beschäftigten auf Geld verzichteten, um einen Beitrag zur Genesung des Unternehmens zu leisten. Inzwischen geht es Wacker Neuson mit teilweise zweistelligen EBIT-Margen wieder sehr gut. Deshalb hat die IG Metall im Sommer 2022 die Ergänzungstarifverträge gekündigt. Daraufhin hat das Unternehmen den wieder in Kraft getretenen und am Flächentarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie orientierten Anerkennungstarifvertrag gekündigt. Mit diesem Schritt flüchtete Wacker Neuson / Kramer komplett aus der Tarifbindung.

Letzte Änderung: 06.02.2023